70 Jahre Oberlinger-Orgel in der Stadtkirche Annweiler


Vortrag von Martin Graf anlässlich des 70jährigen Jubiläums des Instruments


Am 19. Juli 1953 wurde die (damals) neue Orgel, erbaut durch die Orgelbauwerkstatt Gebrüder Oberlinger aus Windesheim, durch Dekan Rettig in einem festlichen Gottesdienst eingeweiht, sowohl hierbei, als auch mit einem Orgel-Konzert am Abend dieses Tages durch Adolf Graf, dem 1. Landes-Kirchen-Musik-Direktor der neuen Bundesrepublik Deutschland, in Dienst gestellt und der Gemeinde ausführlich vorgeführt.
Adolf Graf hat auch die Disposition der 25 Register unter Berücksichtigung der besonderen, sich gern überschlagenden Raumakustik und in Anlehnung an die früheren Orgelwerke der Stadtkirche nach Absprache mit den Orgelbauern, fest gelegt.
Die Oberlinger Orgel, besteht aus Hauptwerk, Rückpositiv, Pedalwerk, sowie einem Cymbel-Stern (= ein Effekt-Register, das verleiht einer triumphalen Orgelmusik einen weiteren, zusätzlichen Akzent. Da er insbesondere in der Weihnachtszeit eingesetzt wird, wird er auch scherzhaft „Zimtstern“ genannt), umfasst 2 Klaviaturen, auch Manuale genannt und einem mit den Füßen gespieltes Pedal, mit denen man die rund 3.500 Pfeifen anspielen kann, verteilt auf 25 Register, das sind die farblich und klanglich unterschiedlichen Stimmen der Pfeifen unserer Orgel, die aus Holz oder einer edlen Zinn-Legierung, also Metall gefertigt sind, die beim 1 gestrichenen- oder „Schlüsselloch“ C-Ton bei einem 1-Fuß-Register ca. 30 cm klein, bei einem 16 Fuß Register stolze 480 cm groß sind, die sich wiederum in Flöten, wie bei einer Block-Flöte oder Zungen wie bei einer Mundharmonika unterscheiden.
Die voll mechanische Oberlinger-Orgel in der Stadtkirche läutete eine neue Epoche des Orgelbaues in der Klang-Philosophie zu dem vom Lambarene-Arzt und Kirchenmusiker Albert Schweizer und meinem Onkel, (beide waren musikalisch sehr eng befreundet) entdeckten „Neo-Barock-Klanges“ ein, die sich als sogenannte „Freiburger Orgel-Bewegung“ danach über die ganze Welt verbreitete.
So fand der Orgelbau, weg von der Röhrenpneumatik, dem Zerfall der Dispositionskunst, zurück zur alten, tonschönen Orgel mit einem lückenlosen Aufbau der Klang-Pyramide durch die Disposition, die Beachtung des Werkprinzips und dem Bau von Schleifladen mit mechanischer Traktur.
Die Oberlinger-Orgel in der Stadtkirche, die sich in der direkten, äußerst präzisen Mechanik, der engen Mensuren, sowie in der Intonation am Klang des berühmten Orgelbauers Andreas Silbermann aus Straßburg und dem nicht weniger berühmten Orgelbauer Franz Stumm aus Rhaunen-Sulzbach orientiert, gilt als „Denkmal-Orgel“ des neuen, klaren „barocken“ Orgel- Klanges, sie ist deshalb besonders erhaltenswert, zumal sie als Vorbild für nachfolgende Orgelbauten, weit über die Pfalz hinaus, diente.

Die Disposition der Oberlinger-Orgel der Stadtkirche ist folgende:

Hauptwerk: Rückpositiv: Pedal-Werk:
Quintade 16‘ (Fuß) Gedackt 8‘ (Fuß) Subbaß 16‘ (Fuß)
Prinzipal 8‘ Prinzipal 8‘ Oktavbaß 8‘
Rohr-Flöte 8‘ Koppel-Flöte 4‘ Gemshorn 8‘
Oktav 4‘ Prinzipal 2‘ Choralbaß 4‘
Klein Gedackt 4‘ Terzian 1 1/3 - 1 3/5 Hintersatz 2 2/3‘ 4fach
Quinte 2 2/3 Siff-Flöte 1‘ Posaune 16‘
Wald-Flöte 2‘ Cymbel 4-fach Cornet 2‘
Terz 1 3/5 Vox Humana 8‘
Mixtur 1 1/3 6-fach
Trompete 8‘ Cymbelstern
Tremulant Tremulant

Zuvor herrschte die Epoche der „romantischen“, sinfonischen Orgel, mit oft weiten Mensuren, die versuchte Orchesterstimmen nach zu ahmen, (z.B. Streichinstrumente), was zudem oft mit pneumatischer, zeitverzögerter, somit leider unpräziser Traktur verbunden war.
Die Orgel, von Wolfgang Amadeus Mozart als „Königin aller Instrumente“ bezeichnet, ging aus einem einfachen Flötenspielwerk hervor, das angeblich der Barbier Ktesibios 170 vor Chr. in Alexandria als Werbe-Gag erfand.
Sie bestand lediglich aus einigen, nebeneinander gereihten Pfeifen und einem Windkasten.
Die Wasserorgel der Römer, die bei öffentlichen Festlichkeiten und im Zirkus verwendet wurde, war von den Christen Jahrhundertelang abgelehnt worden, da sie zu grausamen Tier- und Gladiatoren-Kämpen als Musikinstrument diente.
Im Jahr 757 nach Chr. schenkte Kaiser Konstantin ein solches Instrument dem König Pipin und so kam die Orgel vom byzantinischen Hof nach Westeuropa.
Ihre Blütezeit erlebte die Orgel in der Zeit des Barock.
Die 1. Orgel in der Stadtkirche stammte aus dem Jahr 1552, der damalige Orgelbauer ist leider nicht bekannt.
Die nächste wurde von dem „Orgelmacher“ Johann Friedrich Macrander aus Frankfurt am Main im Jahre 1705 für die alte, gotische Stadtkirche erbaut und 1707 eingeweiht.
1786 wurde durch den Annweilerer „Orgelmacher“ Carl Baumann noch ein Rück-Positiv eingebaut. Von Carl Baumann existiert noch die klangschöne, 1-manualige Orgel in der ehemaligen Schlosskirche, der kleinen Bergkirche in Bad Bergzabern.
1794 entnahm die franz. „Ausleerungs-Kommission“ die wertvollen Zinnpfeifen, der restliche Teil wurde 1803 nach Wilgartswiesen verkauft.
1805 wurde die von den berühmten Orgelbauern Gebr. Philipp und Franz Stumm aus Rhaunen-Sulzbach hergestellte Orgel in die Stadtkirche eingebaut.
1911 wurde dieses wertvolle spätbarocke Werk durch eine romantische Orgel der Firma Steinmeyer mit 33 Registern und pneumatischer Traktur ersetzt, in etwa zeitgleich mit der großen Steinmeyer-Orgel in der Marienkirche in Landau, der mit 70 Registern 2. größten Orgel nach der im Speyerer Dom.
Am 29. Dezember 1944 fiel diese Orgel zusammen mit der Stadtkirche den Bomben zum Opfer.
Nach dem Wiederaufbau der Stadtkirche übertrug das Presbyterium dem Orgel- und Glockensachverständigen LKMD Adolf Graf die Planung und Disposition der Orgel und erteilte den Neubau der heutigen Orgel den Gebrüdern Ernst und Helmut Oberlinger in Windesheim, den Nachfolgern der Orgelbauer Gebrüder Stumm aus Rhaunen-Sulzbach.
Infolge eines Schadens im Dach der Stadtkirche wurde die Oberlinger Orgel in diesem Jahr leider mehrfach durch die Wassereinbrüche in Mitleidenschaft gezogen, was erheblichen Schaden angerichtet hat.
Champager wäre ihr zum 70.Jubiläums sicherlich angemessener und lieber gewesen, zumal der Alkohol möglicherweise die schädliche Schimmelbildung bekämpft hätte.
So steht eine dringend erforderliche, größere Renovierung der Oberlinger-Orgel bevor, die vermutlich einen Kostenrahmen von vornweg rund 20.000,00 € erreichen wird.
Unsere Vorfahren haben nach harten Entbehrungen nach dem 2.Weltkrieg es geschafft überwiegend durch Spenden sowohl die Stadtkirche, als auch die Oberlinger-Orgel aus dem Schutt neu erstehen zu lassen.
Uns geht es heute finanziell deutlich besser.
So dürfte es doch machbar sein durch Spenden unsere wertvolle Oberlinger-Denkmal-Orgel durch die anstehende Renovierung für viele Jahrzehnte weiter zu erhalten.
Eine Renovierung unserer Oberlinger-Orgel rechnet sich auf alle Fälle gegenüber einer Neuanschaffung, die bei der Größe und Qualität unserer Orgel bei einem derzeitigen Registerpreis von 27.000,00 € x 25 Register, ohne Gehäuse, rund 700.000 € kosten würde.
Spenden werden gerne entgegen genommen mit dem Vermerk:
„Restaurierung Oberlinger Orgel Annweiler“
auf das Konto der Kirchengemeinden beim Prot. Kirchenbezirk Landau:
Bank für Diakonie und Kirche: IBAN: DE36 3506 0190 1200 1560 10

(Martin Graf, Landauer Straße 10, 76855 Annweiler, Tel. 0173/8500427, Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)